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Historie der Ortsgruppe Karlsfeld

Soll etwas historisch betrachtet werden, muss die Vergangenheit kurz gestreift werden. Also will ich zunächst etwas zur Historie der Natur sagen. In Karlsfeld entwickelte sich nach der Eiszeit ein menschenfeindliches Moor, in dem sich eine besondere Tier- und Pflanzenwelt ziemlich ungestört entwickelte. Es war also Natur pur. Für erste Veränderungen im Moos war Kurfürst Max Emanuel verantwortlich, der um 1700 ein beachtliches Kanalsystem anlegen ließ, weil es für das als Kaiserresidenz vorgesehene Schloss Schleißheim notwendig war. Eine weitere Reduzierung des Mooses um 1800 geht auf König Max I zurück, der Bauern zur Torfgewinnung und Agrarproduktion ansiedelte. Das daraus entstehende Gemisch von Natur und Mensch zog um 1900 viele Künstler an, die ein sehr romantisches Bild vom Dachauer Moos vermittelten, dem heute noch viele nachtrauern. Die Verstümmelung des Mooses folgte dann durch Trockenlegung, die Gräuel der Nazizeit durch das KZ, BMW und Bombenhagel. Nach dem 2. Weltkrieg erwuchs dann aus der Not der Flüchtlingsströme die unkontrollierte Besiedlung. Die Natur spielte nur noch eine sehr untergeordnete Rolle.

Dennoch erlebte Josef Koller (1942-2010) noch 1951 in Karlsfeld eine ihn stark beindruckende Natur. Bis fast an die kleine Freizeithütte seiner Eltern in der Heidestraße reichte damals das sumpfige Krenmoos, in dessen Pfeifengraswiesen viele Kreuzottern lebten. Dahinter lag schon das wilde Schwarzhölzl mit seiner wunderbaren Vogelwelt, Sumpfgladiolen, Schwarzkiefern usw.. Aber auch die, in dem von amerikanischen Panzern ramponierten Baggerseegelände sich angesiedelten Wechselkröten beeindruckten ihn so sehr, dass er bei der Umwandlung zum Badesee die Anlage des Feuchtbiotops am Seeberg erreichte (1972).

Durch seine Begeisterung für die Natur und seine Wissbegierde motiviert erwarb sich Joseph Koller umfassendes Wissen bei bekannten Wissenschaftlern der Vogelkunde und auch bei dem ebenfalls in Karlsfeld lebenden Biologen Dr. Braun. Im Jahr 1974, gerade als er die Bekanntschaft mit Dr. Braun machte, rief Herr Otto Mayrhofer, ebenfalls ein Karlsfelder, alle Mitglieder vom Bund Naturschutz im Landkreis Dachau zusammen und gründete die Kreisgruppe. Den drei Karlsfeldern Koller, Braun und Mayrhofer gelang der Durchbruch zu einer Naturbewegung im Kreis Dachau durch viele abwechslungsreiche Vogelwanderungen (J. Koller bis 2010), botanische Exkursionen (Dr.  Braun bis 2015), Vorträge (Dr. Braun u. andere Experten) und Presseberichte. Die Folge war starker Zulauf von Neumitgliedern. In ihrem Heimatort Karlsfeld setzten sich die drei naturgemäß stark für den Erhalt der „Restnatur“ ein. Somit kann die Gründung der Kreisgruppe Dachau auch als Geburtsstunde des Naturschutzes in Karlsfeld betrachtet werden: Schwerpunkte waren damals das Feuchtbiotop und der von ihnen initiierte Amphibienweiher am Karlsfelder See, der Moosgraben und die Wehrstaudenwiese mit ihren ursprünglichen Streuwiesen und das Schwarzhölzl. Dabei standen ihnen Kollers Freunde, die sogenannten „Kollerjünger“ zur Seite. Das Schwarzhölzl bereitete aber sehr großen Kummer, da dort der Aushub für den Ruderregattasee der Olympiade (1972) zu einem riesigen Kieshaufen mitten auf ein landschaftliches Paradies mit Streuwiesen und Kiefern geschüttet worden war. Auf dem Berg vermehrte sich die Goldrute immer mehr. Koller und sein Team „zupften“ die Goldrute und mit Dr. Braun sammelte J. Koller wertvolles Saatgut von anderen Biotopen und brachte die Hänge des Berges zum Blühen.  Leider war und ist das Goldrutenzupfen bis heute noch nötig, da die Goldrute eine starke Resilienz hat und den anderen Pflanzen den Lebensraum nimmt.

An dieser Stelle möchte ich noch etwas, was nur den Einzelkämpfer Koller betrifft, aber für die OG wichtig ist, einfügen: Durch den Bau der Ruderregatta war auch der Grundwasserspiegel gesunken und die Bäche teilweise ausgetrocknet. Da die Vögel nur schwer Wasser fanden, konnte Koller 2006 die Gemeinde Karlsfeld überzeugen einen kleinen Baggersee im Krenmoos (heute Kollerweiher genannt) als Ökokontofläche anzulegen und den Moosgraben im Rahmen der Bebauung der neuen Märkte als Ausgleichsfläche zu renaturieren (Fertigstellung 2008).

Nun zur Ortsgruppe Karlsfeld (OG): Sie wurde offiziell 1994 von Herrn Dr. Zauscher (Vorstand der Kreisgruppe) gegründet.  Das bisherige Team blieb in Karlsfeld weiter unter der gewählten Vorsitzenden Sybille Jessen tätig. Sie selbst schloss sich 2000 privat der empörten Bürgerinitiative „Lebenswertes Karlsfeld“ an. Diese Gruppierung war entstanden, weil das Schlimmste von den undurchsichtigen Bebauungsplänen für das ehemalige Bayernwerk und dem Bau der Bayernwerkstraße zu befürchten war, was sich im Nachhinein auch bewahrheitete als der Bürgerentscheid verloren ging. Denn: 1. Die Würmaue, ein wesentlicher Bestandteil im Dachauer Moos, wurde zerschnitten und 2. das Projekt „Bayernwerkbebauung mit Bau der Straße“ entwickelte sich zur Schuldenquelle für Karlsfeld. Für die OG war es aber ein Gewinn, da viele aus der Bürgerinitiative dem Bund Naturschutz beitraten. Sie sorgten Jahre später (2007) dafür, dass die beim Bürgerbegehren von der Gemeinde gemachten Versprechungen auch eingehalten wurden. Dazu gehört die Freihaltung des Raumes vom Waldschwaigsee bis zum Karlsfelder See. Mit diesem Argument konnte der Bau des Heizkraftwerks an dieser sensiblen Stelle verhindert werden. Auch die Realisierung der Ausgleichsflächen für den Bau der Bayernwerkstraße wurde kritisch begleitet. Dazu gehört auch die sogenannte Würmschleife, deren Pflege die OG selbst später von 2010 bis 2020 übernahm.  

Sybille Jessen, die erste Vorsitzende der OG initiierte 2002 eine vom Bayrischen Naturschutz Fond geförderte „Würmausstellung“ um den Erhalt der gesamten Würm und ihres Umfeldes für die Natur zu erreichen. Tragischerweise verstarb sie 2002 und ein Mitglied der BI, Bernhard Wagner, wurde 2003 zum Vorsitzenden der OG gewählt. Unter seiner Führung wurde mit Hilfe von zwei Geographinnen und dem WWA die Würmausstellung realisiert. Sie ist eine sehr interessante Zusammenstellung von Geschichte, Natur und Landschaft der Würm auf 14 großen Tafeln. Sie zeigt auch die Gefährdung des einst königlichen Flusses auf. Ab 2004 wanderte die Ausstellung 5 Jahre lang durch die Würmtal-Gemeinden und Behörden und war Anstoß für viele vom Wasserwirtschaftsamt begleiteten Renaturierungen. Selbst auf der Buga war sie zu sehen und kam am Tag der Regionen 2009 noch mal nach Karlsfeld. Hier schuf sie ein neues Bewusstsein: Aus dem „Eisbacherl“ wurde wieder die Würm. Aufkäufe und Renaturierung von Auenstücken durch die Gemeinde folgten.

Bernhard Wagner übernahm stückchenweise die Pflege der Biotope zusammen mit den „Koller-Jüngern“. Für die Flächen holte er sich bei den zuständigen Stellen, nämlich der Gemeinde, der Bahn und der Unteren Naturschutzbehörde die Pflegeerlaubnis. So entstanden überall Trittsteine für eine Naturvernetzung. Herr Wagner dehnte die Pflegearbeiten auch ins Schwarzhölzl aus und pflegte und erweiterte die von Koller angelegten wunderbaren Blühflächen auf dem ehemaligen Schuttberg. Da er später bei der Stadt München um Entschädigung der Pflegearbeiten nachsuchte, wurde man auf die vielen interessanten Biotope im Umkreis aufmerksam. Das war der Anstoß dafür, dass nach einer gewissen Anlaufzeit 2018 das sogenannte Biodiversitätsprojekt startete, das zu erheblichen Verbesserungen der Natur im Moos führte.  

Auf der Suche nach weiteren Vernetzungsmöglichkeiten der Naturtrittsteine fandB. Wagner Bauern im Krenmoos, die bereit waren Land zu verkaufen. Der BN-Kreis erwarb es mit dem Geld aus der Erbschaft des inzwischen verstorbenen J. Koller.  Die im Krenmoos liegende Ausgleichsfläche für den ICC-Bau konnte auch vom Koller-Geld gekauft werden, weil es der Bahn lästig war, ständig an ihre Pflege-Verpflichtung erinnert zu werden. So entstand im Vorfeld des Schwarzhölzls ein wunderbares Stück Natur, das vorwiegend von der Kreisgruppe gepflegt wird.

Am Karlsfeder See wurden die Biotope von der OG übernommen und durch einen Gehölzlehrpfad 2012 erweitert. Der Lehrpfad beginnt beim Feuchtbiotop, führt weiter den Seeberg hinauf und dann zum Schallweiher herunter. Dadurch wird der landschaftliche Reiz dieser vom Erholungsflächenverein Anfang der 70er Jahre wunderbar gestalteten Landschaft erhöht. Der Gehölzlehrpfad wurde geschaffen, damit viele Besucher motiviert werden, diese Gehölze in ihrem Garten zu pflanzen um Insekten und Vögeln wieder eine Heimat zu geben. Auch der anschließende Seeberg wurde in Zusammenarbeit mit der Gemeinde in einen „Blühberg“ verwandelt durch zweimalige Mahd und Mähgutübertragung. Hier dürfen Kinder noch in eine Wiese gehen und Blumen pflücken!

Bei allen großen Bauprojekten der Gemeinde hat die OG Stellung bezogen und insbesondere auf den Ausgleich innerhalb von Karlsfeld gedrungen. Im Vorfeld der Erstellung des neuen Flächennutzungsplans für Karlsfeld entwarf die OG 2007 sogar ein Leitbild, das Herr Mayrhofer den Parteien vorstellen durfte in der Hoffnung auf einen nachhaltigen Niederschlag im Flächennutzungsplan:

  • Freihalten der Siedlungslücke zwischen Dachau und Karlsfeld,
  • den Grünzug entlang der Würm stärken und renaturieren,
  • die Quervernetzung vom Waldschwaigsee zum Schwarzhölzl erhalten.

Ziel ist es durch diesen Freiraum Karlsfeld für Mensch und Natur lebenswert zu erhalten mit frischer Luft, gesundem Klima und wohnortnaher Erholung.  Im Flächennutzungsplan fand sich dann wirklich ein zentraler Grünzug. Aber in dem gesetzlich festgelegten regionalen Grünzug wurden drei eigentlich nicht statthafte Planungen anvisiert: ein Gartenbaubetrieb, eine Tierklinik und ein Gewerbegebiet. Der Gartenbaubetrieb wurde errichtet, die Tierklinik musste auf Grund nachhaltiger Einsprüche auch von Seiten der OG weichen und das Gewerbegebiet wurde zunächst durch ein Ratsbegehren ein Jahr verzögert und nun auf Eis gelegt. Die OG ist weiterhin innerhalb der Kreisgruppe um die Freihaltung der Grünzüge bemüht und es gelang die Ausweisung eines großen Landschaftsschutzgebiets mit besonderen Schutzzonen, die der zur OG gehörige Naturschutzwart überwacht. Selbst zur Ostumfahrung von Dachau hat die OG Stellung bezogen, da durch sie noch mehr Verkehr in Karlsfeld zu befürchten ist. Deshalb ist sie seit 2015 bei der Lindenpflanzung der Kreisgruppe jedes Jahr im Hackermoos dabei. Ziel ist eine Lindenallee quer zur geplanten Trasse.

Einen besonderen Erfolg konnte die OG bei der Rettung des Schwaigerbachweihers verbuchen. Er sollte 2007 im Rahmen eines Bebauungsplans zugeschüttet werden. Aber Herr Dr. Braun und Herr Koller attestieren ihm einen Schutzstatus, der von den Behörden 2010 anerkannt wurde. Der Weiher durfte bleiben und die Häuser mussten um ihn herum gebaut werden. Und ein Stück des Geländes an der Würm wurde dem Auwald zugeführt.

Bei vielen weiteren Aktionen war die OG auch gut vertreten:

  • An Mini-Karlsfeld beteiligte sich die OG mit verschiedenen Aktionen Bienenstand in Hochmutting, Greifvogelschau, dem Biber auf der Spur, kleine Exkursionen...
  • Am Ramadama ist die OG immer am Krebsbach und der Würm tätig.
  • An den großen Demonstrationen und Begehren war die OG mit starker Vertretung dabei: Waldbegehren, Atomkraftdemos, Patente auf Leben, Donauausbau, 3. Start- und Landebahn, Insektenbegehren …